Wie mir schon auf der Rathlir Farm aufgefallen ist, ist aller Anfang schwer. Man fängt sozusagen von null an, bei jedem neuen Host, jeder neuen Umgebung, mit jeder neuen Arbeit und jedem neuen Menschen.
Vor einer Weile kam mir der Gedanke, dass mich somit jeder nur in einem bestimmten Zeitraum kennt und mich jeder dadurch vollkommen anders wahrnimmt, je nach dem, wie es mir zu dieser Zeit geht und wie wohl ich mich fühle.
So haben mein neuer Host und die beiden Wwoofer, mit denen ich zusammen gewohnt und gearbeitet habe, mich direkt nach dem Abschied von meiner Familie getroffen. Zu einem Zeitpunkt, an dem ich Heimweh wie selten zuvor und das Bedürfnis nach Alleine sein hatte.
Trotzdem haben wir uns echt gut verstanden und ich bin froh die beiden kennengelernt zu haben. Beide waren sehr lieb und wir haben oft zusammen am Feuer gesessen, gekocht oder Filme geguckt.
Wie genau ich das Ganze in Roundstone nennen soll, weiß ich nicht. Der Host besaß einen Garten, ein Café,
ein Restaurant, ein Hotel und ein paar Apartements, was sich für ein 200 Seelendorf schon wie der halbe Ort anfühlt.
Eigentlich war unsere Hauptaufgabe, den Garten zu pflegen. Allerdings war das meiste dort schon getan und
es war viel zu kalt und nass draußen, also haben wir in meiner ersten Woche viel im Café geholfen. Tische abgeräumt und abgewischt, Geschirr gespült, beim Schließen des
Cafés geholfen.
Ab und zu haben wir die Apartments oder die Hotelzimmer für Gäste vorbereitet, sprich Betten gemacht, Bäder und Böden geputzt usw.
Zudem haben wir fast täglich Daisy, die Hündin des Hosts, ausgeführt.
Die Arbeit insgesamt war ziemlich entspannt und nie besonders viel.
Gewohnt haben wir drei in einem Haus, indem ich ein großes Zimmer und Bad für mich alleine hatte, was mir nach dem Caravan auf der Rathlir Farm schon ein wenig luxeriös vorkam. Allerdings musste ich dadurch lernen, oft alleine mit mir selbst zu sein, wodrin ich immer noch nicht besonders gut bin - wahrscheinlich ein Nebeneffekt des Zwillingsdaseins.
Generell hatte ich dort viel Zeit. Viel Zeit zum Spazieren gehen, zum Gedanken sortieren, zur Ruhe kommen. Vor Allem weil es im Haus kein WLAN gab, ich also kaum Serien gucken konnte.
Zudem musste ich mich selbst versorgen und kochen, wozu ich ehrlich gesagt häufig zu faul für war.
An meinen freien Tage hab ich mich zweimal alleine zu einer Wanderung aufgerafft. Das eine Mal gings für mich das erste mal alleine auf einen Berg, den St Errisbeg. "Nur" 300 Meter hoch, was mir aber vollkommen gereicht und mir erneut vor Augen geführt hat, wie sehr ich aus dem Training bin. Irgendwie wars auch ganz schön dort oben, so alleine mit der Stille.
Auf dem Weg nach unten hab ich das erste Mal in meinem Leben einen ganzen Regenbogen gesehen, was ein verdammt schöner Moment war, den ich leider nicht einfangen konnte. Unten angekommen bin ich mit ziemlich nassen Füßen (wer sieht schon den Unterschied zwischen Moor und Wiese?), überanstrengten Beinen und ein wenig Stolz auf mich selbst.
Das andere Mal bin ich zur Dog's Bay gelaufen, was, abgesehen vom Hinweg (da noch mehr nasse Füße, verlaufen und Kühe im Weg), echt schön war.
Ich war nur drei kurze Wochen (geplant waren anfangs zwei) dort, an diesem friedlichen, kleinen Ort. Angefühlt hat sichs - wie jedes Mal - viel kürzer. Ich hab mir ein paar Dinge dort vorgenommen, sie wieder über den Haufen geworfen, hab aber doch ein paar Dinge geschafft, zu denen ich sonst keine Zeit finde und bin vor Allem unglaublich zur Ruhe gekommen.
Seit ich in Irland bin habe ich das Gefühl frei zu sein. Ich kann tun wozu ich gerade Lust habe. Kann Orte sehen, die ich sehen will. Kann dort bleiben solange ich will und wenn mir danach ist auch einfach mal faul sein. Hab keine Deadlines, keine Abgabetermine, kaum Pflichten. Genau diese Freiheit ist etwas, was ich in der Art und Weise so schnell nicht wieder haben werde und worüber ich im Moment verdammt dankbar bin.
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