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Rathlir Farm

Ist im Vergleich zum Ashley Park House eine vollkommen andere Seite von Irland, wie eine Art andere Realität. Mein Alltag war viel schlichter, einfacher und es kam mir so vor, als sei mein Leben zuhause sehr weit davon entfernt.

In manchen Momenten, wenn ich mit der Schaufel im Hühnermist stand oder wenn ich Eier nach 'verkäuflich' und 'zu hässlich zum Verkauf' sortiert habe, hab ich mich gefragt, was zur Hölle ich hier eigentlich mache. Die Frage kann ich mir bis heute manchmal nicht beantworten.

Andererseit hatte ich dort Zeit runterzukommen, mich auf andere, neue Dinge zu konzentrieren und musste mir keine Gedanken über Dinge wie mein Aussehen machen. Was auch ein paar der Gründe dafür waren, dass ich das Farmleben für eine begrenzte Zeit interessant fand. Einfach weil es, wie gesagt, etwas vollkommen anderes und neues für mich war. Trotzdem könnte ich mir nicht vorstellen, dauerhaft auf einer zu wohnen, geschweige denn selbst eine zu besitzen.

Auf der Farm lebt eine Paar mit zwei Töchtern und fünf Hunden, die unglaublich süß und liebenswert sind. Dann gibt’s da noch um die 600 Hennen, ein paar Truthähne, Gänse und weiße Hühner. Plus wir Wwoofer; sieben Franzosen und ich.

Da die Farm das meiste Geld aus dem Verkauf von Eiern macht, haben wir uns teilweise den lieben langen Tag nur mit den Hühnern und Eiern beschäftigt. Morgens um halb 10 war das erste, was wir gemacht haben die Hühner füttern und natürlich die anderen Tiere. Dann die Eier einsammeln, die zwei von uns zum Eggroom gebracht haben. Da wurden die Eier dann sauber gemacht, abgetrocknet, nach Größe sortiert, abgestempelt, gezählt, ein wenig sortiert (die deformierten, zu großen und kleinen Eier mussten raus) und in Kartons gepackt, die mit Label und 'Best Before'-Datum versehen wurden. Dasselbe dann nochmal nachmittags.

Der Hühnerstall musste dreimal die Woche gesäubert werden, was bei 600 Hühnern nicht mal so eben gemacht ist.

Nebenbei gabs hier und da Projekte. Einen neuen Zaun fürs Hühnergehege bauen, einen Unterschlupf für den Winter aufräumen, Löcher im Zaun stopfen, im Garten die Erde umgraben und säen, zweimal abwaschen, einmal die Woche für alle 12 Leute kochen.  Vor dem ersten Mal kochen hab ich mir ziemlich viele Gedanken gemacht und ein wenig Panik geschoben. Zuhause koche ich manchmal gerne, aber auch nur für vier Leute und mit dem Wissen, dass es mir niemand übel nimmt, falls mal was daneben geht.

Um halb 6, nach 6 ½ Stunden Arbeit war Feierabend.

Um ehrlich zu sein haben wir dort - meiner, und der aller anderen Wwoofer, Meinung nach - zu viel gearbeitet. Um halb 6 war ich immer völlig fertig, weil ich diese körperliche Arbeit einfach nicht gewöhnt bin. Unter der Woche bestand der Tag also aus: aufstehen, essen, arbeiten, essen, arbeiten, kurz entspannen oder kochen, essen, Bett. Manchmal sind wir (trotz allgemeiner Müdigkeit) noch in den Pub gegangen, wo ich Orchard Thieves entdeckt und mich zum ersten Mal geärgert habe, kein Französisch gelernt zu haben.

Die ersten Tage hatte ich unglaubliches Heimweh und wollte weg von dort, weg aus Irland, aber das wurde nach ein paar Tagen besser, als ich angefangen habe, die Menschen dort ins Herz zu schließen. Die Farmbesitzer waren unglaublich dankbar für unsere Hilfe und haben sich sehr darum bemüht, dass es uns gut geht. Ich hatte das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden (ja ich weiß, ich widerspreche mir ein wenig, was daran liegt, dass ich selber im Zwiespalt bin) und die Möglichkeit zu haben, für eine kurze Zeit ein ganz einfaches Leben zu führen. Meine zwei Mitbewohner waren sehr lieb und lustig und haben mir morgens oft ein Lächeln auf die Lippen gezaubert, selbst wenn keiner von uns Lust hatte, zu arbeiten.

Sozusagen als Ausgleich bin ich zweimal mit dem Fahrrad nach Kilrush gefahren und habe deutlich gemerkt, dass ich vollkommen aus dem Training bin. Und trotzdem hab ich mich währenddessen unglaublich frei gefühlt, weil ich wusste, dass ich im Moment dahin gehen kann, wo ich will und dass ich für die paar Monate mir einfach sagen kann, dass es okay ist, mich treiben zu lassen, mich zeitweise nicht gut zu ernähren, faul zu sein, meine schlechten Tage zu haben. Dass ich grade - in diesen Momenten -  genießen darf.

 

2 1/2 Wochen an einem Ort sind zu kurz. Grade wenn man wirklich angekommen ist und es am schönsten ist, muss man fahren. Meine Zeit auf der Rathlir Farm war sehr schön und lustig und manchmal anstrengend und frustrierend. Am Ende konnte ich absolut keine Hühner mehr sehen, von Eiern ganz zu schweigen.

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Kommentare: 2
  • #1

    elbapo (Dienstag, 04 Dezember 2018 21:38)

    eieieieieieieieieieia bewegend und schön geschrieben. ein bisschen neidisch und in Vorfreude weiterer Berichte verbleibe ich mit einem eiderdaus ;)

  • #2

    Oma (Mittwoch, 19 Dezember 2018 10:07)

    Hallo liebe Jana, endlich bin dazugekommen, Deinen Blog zu lesen. Ja, ja die Eier. Kannst Du mittlerweile wieder welche sehen? Ich bin so froh, daß Du morgen zu Merle fährtst und ihr hofffentlich viel schöne Zeit zusammen verbringt. Eric und Sarah fragen immer wieder nach Euch und können es kaum erwarten, daß ihr wiederkommt.
    Denke oft an Dich und unsere schöne Zeit in Irland. Liebe Grüße Oma